Geschichte

Kurze Geschichte des Berner Instituts für Sprachwissenschaft

Die Geschichte der Sprachwissenschaft an der Universität Bern führt zurück ins Jahr 1861. In diesem Jahr, siebenundzwanzig Jahre nach der Gründung der Universität, wurde die Einrichtung einer ausserordentlichen Professur für allgemeine Sprachwissenschaft und romanische Sprachen in Bern beantragt.  Dieser Antrag wurde von der Universitätsleitung ursprünglich abgelehnt, doch später wurde dieser Entschluss erfreulicherweise revidiert und Ludwig Tobler 1863 als Privatdozent für allgemeine und deutsche Sprachwissenschaft engagiert. Der Dialektologe und Sprachphilosoph Tobler wurde dann 1866 in Bern zum ausserordentlichen Professor für allgemeine Sprachwissenschaft und germanische Philologie ernannt. Bis 1873 behielt er diesen Lehrstuhl, wechselte danach aber zur Universität Zürich.

1881 wurde der gebürtige Berliner Eduard Müller-Hess nach einem Forschungsaufenthalt auf Ceylon Privatdozent für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft. Zwei Jahre später ist er nach Walisien abgereist, doch kehrte er 1887 wieder nach Bern zurück als Privatdozent für Sanskrit, Sprachwissenschaft und englische Philologie. 1888 wurde er ausserordentlicher Professor für orientalische Sprachen und englische Philologie. Im Jahr 1897 wurde Müller-Hess zum ordentlichen Professor ernannt und 1915 zum Rektor der Universität Bern. Er trat im Jahre 1923 in den Ruhestand.

Der aus Basel stammender Albert Debrunner wurde 1920 ordentlicher Professor in Bern. 1925 nahm Debrunner aber einen Ruf nach Jena an und sein Schüler Walter Porzig erhielt die Professur in Bern. Wegen nationalsozialistischer Aktivitäten wurde Porzig aber 1935 entlassen. In einem aufsehenerregenden Lehrstuhltausch wurde Porzig nach Deutschland abgeschoben, und sein Lehrer Debrunner kehrte nach Bern zurück. Bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1954 war Debrunner ordentlicher Professor für Indogermanische Sprachwissenschaften und klassische Philologie. Mit über 600 publizierten Titeln gilt er als einer der produktivsten Indogermanisten des 20. Jahrhunderts, wobei besonders seine Arbeiten zum hellenistischen Griechisch immer noch als Standardreferenzwerke dienen.

Als Geburtsjahr des heutigen Instituts für Sprachwissenschaft könnte das Jahr 1961 betrachtet werden, als die zwei Fachgebiete klassische Philologie und Sprachwissenschaft sich auseinanderentwickelten und demzufolge ein unabhängiges Seminar für Sprachwissenschaft von Georges Redard gegründet wurde. 1969 wurde das Seminar offiziell zum Institut umbenannt als die audiovisuelle Sprachschule hinzugefügt wurde.

Als Redard in den Ruhestand trat, folgte ihm 1989 der aus München stammende Roland Bielmeier als ordentlicher Professor für Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft. Roland Bielmeier hatte in München, Bochum und Tbilisi ein sprachwissenschaftliches Studium absolviert, welches schwerpunktmässig auf kaukasische und orientalische Sprachen ausgerichtet war, und schrieb seine Habilitation in Bonn zu tibetischen Dialekten. Das Interesse an der tibetischen und der georgischen Sprache wurde in Bern weiterverfolgt, wo diverse Veranstaltungen zu diesen Gebieten angeboten wurden und bedeutende Forschungsprojekte, wie beispielweise „Historisch-vergleichender Wortschatz tibetischer Dialekte“, „Grundlagen einer historischen Grammatik des Tibetischen“, „Deutsch-Georgisches Wörterbuch“ und „Griechischer Lehnwortschatz im Georgischen“, durchgeführt  wurden. Roland Bielmeier wurde im Jahre 2008 emeritiert. Er verstarb 2013.

Im Herbst 1988 wurde Iwar Werlen auf die neu geschaffene Stelle eines Extraordinarius für Allgemeine Sprachwissenschaft berufen und wurde damit Mit-Direktor des Instituts für Sprachwissenschaft. 1992 erfolgte die Beförderung zum ordentlichen Professor. Der Walliser Iwar Werlen hatte schon 1971 seine akademische Laufbahn als Student in Bern begonnen und stieg danach die Karriereleiter hoch vom Hilfsassistenten bis zum ordentlichen Professor. Von Anfang März 1996 bis Ende Juli 1997 bekleidete Iwar Werlen das Amt des Dekans der Philosophisch-historischen Fakultät. Zu den wichtigsten Forschungsgebieten, mit denen sich Iwar Werlen befasste, gehörten neben der Dialektologie, die Mehrsprachigkeit, die Onomastik und die philippinischen Sprachen. Er leitete dutzende Projekte des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und weiterer Geldgeber, war Koordinator des europäischen Exzellenz-Netzwerks LINEE und half zudem bei der Entwicklung der Dialäkt Äpp. Iwar Werlen wurde im Jahre 2012 emeritiert, war aber an noch laufenden SNF Projekten beteiligt bis zu deren Ende und führte sein letztes eigenes SNF-Projekt  „Formulierung, Inszenierung, Instrumentalisierung der deutsch-französischen Sprachgrenze im touristischen Kontext“ zum Abschluss.

2010 wurde Georg van Driem als Nachfolger Bielmeiers auf den Lehrstuhl für historische Sprachwissenschaft berufen. Ab 1999 bis zu seinem Amtsantritt in Bern hatte er den Lehrstuhl für beschreibende Sprachwissenschaft an der Universität Leiden in Holland inne. Seit 1983 betreibt van Driem Feldforschung im Himalaja, wo er das Bangani-Rätsel löste und die Grammatiken der Sprachen Limbu, Dumi, Bumthang und Dzongkha verfasste, letzteres im Auftrag der Regierung Bhutans. Zusätzlich zu seinen Sprachbeschreibungen veröffentlichte er das zweibändige Handbuch Languages of the Himalayas und eine umfassende Geschichte des Tees unter dem Titel The Tale of Tea. Seine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Populationsgenetikern und Archäologen führte zur Monographie Ethnolinguistic Prehistory und zu zahlreichen Schriften über die ethnolinguistische Vorgeschichte Asiens.

Von 1999 bis 2012 betrieb Fernando Zúñiga Feldforschung zum Mapudungun (Südamerika) und zur Algonkian-Sprache Blackfoot (Nordamerika). 2012 war er Assistenzprofessor für Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Zürich, und 2013 wurde er als Nachfolger Iwar Werlens auf das Berner Ordinariat für Allgemeine Sprachwissenschaft berufen. In Zúñigas Lehre spielten neben amerindischen Sprachen und morphosyntaktisch-typologischen Themen auch inselkeltische Sprachen und das Baskische eine beträchtliche Rolle. Neben seiner Publikationstätigkeit als Autor von Artikeln, Buchkapiteln und Monographien sowie als Herausgeber von Sammelbänden war er von 2010 bis 2022 auch sonst als (Ko-)Herausgeber tätig, unter anderem der Buchreihe Typological Studies in Language bei John Benjamins und als Mitglied des Editorial Board der Zeitschrift Linguistic Typology bei Mouton de Gruyter, sowie als Herausgeber der Zeitschrift International Journal of American Linguistics (2019-2022). Zúñiga ging im Januar 2024 aus gesundheitlichen Gründen in Frührente.